(Ur)bekannt

Ich möchte erzählen dir, von (m)einer neuen und bislang unbekannten Liebe:

Ihn traf ich auf meinem Weg
durch Dornenhecken und Gestrüpp,
als ich mich verirrt hatte.
Er wurde mir geschenkt, schwere Zeiten
mit seiner Kraft zu meistern.
Er wurde mir Vertrauter, Freund und Wegbegleiter.
Er ist (m)ein Mann, für die Monate der Einsamkeit,
in den Stunden der Berührungslosigkeit.

Ich durfte in seinen Armen weinen.
Er schwieg, wenn ich meinen Schmerz aussprechen musste.
Vibrierte mit mir in Blättern,
wenn ich meinen Mund verschließen wollte.

Bei seinem Anblick besann ich mich auf die eigene Kraft
und meine Wurzeln. Alle Zweifel, Bitternisse, Ängste und Gedankenwolken ließ ich bei ihm. Er tadelte und maßregelte
mich nie. Niemals durchbohrte er mein offenes Herz mit sarkastischen Nadeln.
Niemals warf er mir schmutzige Gedanken vor die Füße.

Ich offenbarte ihm meine Kerben und Narben der Vergangenheit, er nahm mich mit diesem Gepäck.

Meine Hände glitten über seine Haut, die ähnliche Verletzungen aufwies. Doch zu meinem Erstaunen, er stand stärker denn je.

Auf seine Weise lud er mich mit jedem Atemzug ein,
zu kommen, so oft ich mochte, mir den Rücken zu stärken,
Halt zu geben.
Mich an ihn zu lehnen und zu ruhen.

Er lehrte mich, dieser rauhe Gefährte:
Sei verwurzelt in der Erde, standhaft in den Winden der Welten, selbstverständlich in der Hingabe an Blüte, Reife, Ernte, Abschied.

Diese tiefe Weisheit ist der Grund seiner Seele, in dieser Weisheit fand ich mich.

Ich schaute ein letztes Mal, zu ihm, (m)einem Baum.
Er ähnelte nun einem weisen alten Mann.
In seinem Lächeln höre ich den Klang meines Vaters,
darin den Ton der Liebe.