Wortnüsschen

Ein kleines Eichhörnchen hüpfte von Ast zu Ast.
Hielt inne, lauschte dem Zauber eines beginnenden Tages öhrchenweit.
Schaukelte freudvoll in winterlichen Gefilden.
Es glaubte dem Paradies verbunden zu sein, so rein drang der Vogelgesang eines nahenden Frühlings in seine Träume.
Weiß und wattig war sein Wölkchen, auf dem es in Gedanken kuschelte.

Plötzlich schüttelten Töne anderer Art an seinen Phantasien.
Wo kamen sie her, diese trommelfellfaltenden Gespenster?

Unter seinem Baum entdeckte es zwei Menschen.
Graue Wolken nebelten um ihre Köpfe, schwärzer quoll es aus angespannten Mündern.
Stimmen fochten wie Schwerter, Wörter wurden schnürende Seile.
Beide wirkten wie gepresste Ballons, dem Platzen nah.

Schon wollte das Eichhörnchen in dieser Schwingung verharren,
da drang lieblicheres durch dieses Gewirr.

Ein zartes Glöckchen, öffnete himmlische Tore,
lud ein
das Dunkel zu wandeln.

So fand es blitzartig die Idee.
Es nahm ein Nüsschen, nah seines Herzens und zielte treffsicher,
blubb,
mitten auf den Mund des lautesten Streiters.
Schnabelspitz und knopfaugengroß wagte unser Fellchengefährte einen zweiten Schuss.

Das Nüsschen,
boing,
landete auf dem Kopf des anderen Mieslings.

War das zu glauben, was nun die Ohrmuscheln fingen?
»Lass uns miteinander reden«, sagte der Eine.

»Ich möchte dich verstehen!«, sagte der Andere.

In höflichen Gesten, wärmenden Formen, fanden sie Worte der Versöhnung, blühten über ihre Lippen rosige Gebilde.
Eine jackendicke Umarmung besiegelte den Frieden.

Nur das Eichhörnchen sah das Wunder am Boden liegen.
Die Schalen seiner Nüsschen waren entzwei.

Was hatte die borstigen Lippen geglättet, die Herzen erhellt?

Violett-goldenes Licht strömte aus den geplatzten Hülsen,
verzauberte augenblicklich alles Starre und Kalte.

Die Erde unter ihnen hatte sich geöffnet und ließ die Köpfchen ihrer Frühlingskinder leuchten.

Unser flauschiger Freund schmunzelte in eichhörnchenweise.
Es hatte die KRAFT DER LIEBE erfahren.

Bad Oberdorf, den 28.02.2006